Loslassen

Verblüffung ist ein guter Anfang

Der Beginn einer Therapie ist fast immer geprägt vom Wunsch nach Veränderung. Etwas soll anders werden. Man sei jetzt dazu bereit, dafür etwas zu tun. Nicht zu sehr, möglichst auch schmerzlos und unter Vermeidung von Peinlichkeiten. Früher oder später ahnt der Klient, dass das nicht immer reicht. Die Veränderungen verlangen, dass man die Axt an die Wurzeln legt. Solche Radikalität verlangt nach Wandlung – und damit beginnt die Angst, die man doch loswerden wollte, aufs Neue. Widerstand und Abwehr treten auf und Therapeut und Patient auf der Stelle.

Und dann …

… gibt es im Verlauf einer Therapie den Moment, an dem sich die Dinge anscheinend wie von selbst verändern, und das sehr oft an einem Punkt, den weder der Klient noch der Therapeut voraussehen konnten. Die Wandlung tritt unvermutet ein und in einer Art und Weise, die ob ihrer Einfachheit für Verblüffung sorgt, wo doch zuvor alles so komplex erschien.

 In dem Augenblick, in dem man sich endgültig einer Aufgabe verschreibt, bewegt sich die Vorsehung auch. Alle möglichen Dinge, die sonst nie geschehen wären, geschehen, um einem zu helfen. Ein ganzer Strom von Ereignissen wird in Gang gesetzt durch die Entscheidung, und er sorgt zu den eigenen Gunsten für zahlreiche unvorhergesehene Zufälle, Begegnungen und materielle Hilfen, die sich kein Mensch vorher je so erträumt haben könnte. Was immer Du kannst, beginne es. Kühnheit trägt Genius, Macht und Magie. Beginne jetzt.
Johann Wolfgang v. Goethe

  Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern die Meinungen,
die wir von den Dingen haben.
Epiktet

Unsere vorherrschende Sicht der Dinge wurde ermöglicht durch eine Wissenschaft, die von Aristoteles bis vorgestern den Zweifel an allem, was nicht mathematisch und analytisch beweisbar war, auf ihre Fahnen schrieb. Ich denke, also bin ich. Diese Art des analytischen Denkens war einem mechanistischen Weltbild verhaftet. Gut, es hat der Medizin enorme Fortschritte beschert und den Menschen auf den Mond gebracht. Aber das Leben kann es bis heute nicht erklären. Es kann Antibiotika schaffen (anti= gegen, bios= Leben) und schafft in der Einseitigkeit des Denkens die Lebendigkeit ab.

Wie gut, dass es die Musen gibt, und Heraklit und Platon, und Goethe und Novalis, und Einstein und Heisenberg, und C. G. Jung und Wolfgang Pauli, und Gregory Bateson und Rupert Sheldrake. Mag die Welt auch zerlegbar sein in kleinste Einheiten, so existieren sie doch nicht unabhängig voneinander. Alles befindet sich in einem Kontext, ist miteinander verknüpft und aufeinander bezogen. Wer dieses Wissen verinnerlicht hat, weil er es – nicht denkend – im Loslassen und Anvertrauen selbst erfahren hat, ist frei. Frei von Ängsten, Zwängen, starren Rollen, Süchten. Frei zu leben.

hh