Psychotherapie NRW

Kritische Betrachtung zur elektronischen Patientenakte (ePA) und zur Aktion Qualitätssicherung in der Psychotherapie (Feldversuch Nordrhein-Westfalen)

Liebe Patienten,

in einer Zeit, in der Digitalisierung und Qualitätssicherung zunehmend Einfluss auf unser Gesundheitswesen nehmen, ist es wichtig, über Chancen, Risiken und Konsequenzen dieser Entwicklungen aufgeklärt zu sein. Im Folgenden möchte ich Ihnen eine kritische Perspektive zu zwei aktuellen Themen geben, die auch Ihre psychotherapeutische Behandlung betreffen können: die elektronische Patientenakte (ePA) und den Feldversuch zur Qualitätssicherung ambulanter Psychotherapie in NRW.

 

Elektronische Patientenakte (ePA)

Die ePA wird als Schlüssel zur Digitalisierung des Gesundheitswesens beworben. Sie soll die Behandlungsqualität verbessern, indem Ärzte und Therapeuten jederzeit Zugriff auf alle relevanten Gesundheitsdaten haben. Dies klingt zunächst vielversprechend, birgt aber auch erhebliche Risiken und Herausforderungen:

      1. Datenschutz und Datensicherheit: Die Speicherung sensibler Gesundheitsdaten in einer zentralen Datenbank macht diese zu einem potenziellen Ziel für Hackerangriffe. Zwar wird die Sicherheit stets betont, doch zeigen Erfahrungen, dass keine digitale Infrastruktur hundertprozentig sicher ist. Hier stellt sich die Frage: Sind Ihre psychotherapeutischen Daten ausreichend geschützt?
      2. Freiwilligkeit und Kontrolle: Obwohl die Nutzung der ePA freiwillig ist, können Patienten unter Druck geraten, ihre Daten freizugeben, insbesondere wenn Ärzte oder Krankenkassen dies indirekt fordern. Viele Patienten sind sich nicht bewusst, dass sie die Kontrolle über die Freigabe einzelner Dokumente behalten können – eine bewusste Entscheidung ist hier essenziell.
      3. Therapeutische Beziehung: Psychotherapie lebt von Vertrauen und geschütztem Raum. Die Möglichkeit, dass sensible Therapieinhalte in der ePA erfasst werden, könnte das Vertrauen beeinträchtigen. Patienten sollten genau überlegen, welche Informationen sie in die ePA eintragen lassen.

Qualitätssicherung in der Psychotherapie (Feldversuch NRW)

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat den Feldversuch zur Qualitätssicherung ambulanter Psychotherapie gestartet. Ziel ist es, durch standardisierte Befragungen von Patienten und Therapeuten die Qualität psychotherapeutischer Behandlungen zu evaluieren. Auch hier sind kritische Aspekte zu bedenken:

      1. Standardisierung vs. Individualität: Psychotherapie ist eine individuelle Behandlungsform, die auf die persönliche Geschichte und Situation des Patienten eingeht. Standardisierte Befragungen könnten diese Individualität untergraben und den Fokus auf messbare Ergebnisse verengen.
      2. Bürokratische Belastung: Für Therapeuten bedeutet der Feldversuch einen erheblichen Mehraufwand. Zusätzliche Dokumentationspflichten können wertvolle Zeit kosten, die besser in die direkte Patientenarbeit investiert wäre.
      3. Gefahr der Fehlinterpretation: Standardisierte Daten können leicht missverstanden oder aus dem Kontext gerissen werden. Dies birgt das Risiko, dass Therapeuten über standardisierte Ergebnisse bewertet werden, die nicht die Komplexität der Behandlung widerspiegeln.

Fazit und Handlungsempfehlungen

Beide Entwicklungen zeigen, dass Fortschritt und Kritik Hand in Hand gehen müssen. Als Patient haben Sie das Recht, informierte Entscheidungen zu treffen:

  • Zur ePA: Informieren Sie sich gründlich über die Funktionsweise der ePA und überlegen Sie, welche Daten Sie speichern möchten. Fragen Sie Ihren Therapeuten, welche Auswirkungen dies auf Ihre Behandlung haben könnte.
  • Zur Qualitätssicherung: Sollten Sie an der Befragung teilnehmen, machen Sie sich bewusst, dass standardisierte Fragen niemals die ganze Geschichte erzählen können. Geben Sie Feedback, wenn Sie den Eindruck haben, dass die Befragung Ihre Behandlung nicht angemessen widerspiegelt.

 

Ich stehe Ihnen bei Fragen oder Bedenken gerne zur Verfügung. Gemeinsam können wir einen Weg finden, der Ihre Daten und Ihre Therapie optimal schützt.

Herzlichst,
Dr. med. H. Herber